Kooperation

Super-Recognizer: Wenn außergewöhnliche Begabungen die Ermittlungsarbeit unterstützen

Das Bundeskriminalamt (BK) startet gemeinsam mit den Landeskriminalämtern Niederösterreich und Vorarlberg den Probebetrieb für ein einzigartiges Pilotprojekt. Sogenannte Super-Recognizer – Menschen, die Gesichter mit außergewöhnlicher Präzision wiedererkennen können – sollen künftig gezielt im kriminalpolizeilichen Bereich eingesetzt werden.

Das Projekt wurde 2024 vom Bundeskriminalamt initiiert, nachdem die Polizei St. Gallen in der Schweiz beeindruckende Erfolge mit dieser Methode verzeichnen konnte. Durch die Kooperation mit Prof. Dr. Meike Ramon und die enge Abstimmung mit den Landeskriminalämtern Niederösterreich und Vorarlberg soll Österreich nun eigene Erfahrungen sammeln und prüfen, wie diese besondere menschliche Fähigkeit dauerhaft in die Polizeiarbeit integriert werden kann.

Menschliche Fähigkeit als Ermittlungsinstrument nutzen
Super-Recognizer verfügen über eine seltene Begabung: Sie erkennen Gesichter auch dann wieder, wenn sie diese nur kurz gesehen haben, sich die Person verändert hat oder Jahre vergangen sind. Das Projekt des Bundeskriminalamtes verfolgt das Ziel, diese Fähigkeit in den Dienst der öffentlichen Sicherheit zu stellen und praktische Erfahrungen in der Auswahl und Implementierung solcher Personen zu gewinnen.
In den Probebetrieben der Landespolizeidirektionen Niederösterreich und Vorarlberg werden Einsatzmöglichkeiten getestet – etwa in der Bildfahndung, bei Zielfahndungen oder bei Observationen und Großveranstaltungen. Parallel dazu werden Synergien mit bestehenden Systemen wie dem Gesichtserkennungssystem (GES) des Bundeskriminalamtes geprüft.

Wissenschaftliche Grundlage und Testverfahren
Das Testverfahren zur Identifikation von Super-Recognizern wurde von Prof. Dr. Meike Ramon entwickelt. Es basiert auf drei international anerkannten Tests, die erstmals zu einem wissenschaftlich fundierten Diagnosesystem kombiniert wurden. Das Verfahren gilt als das einzige seiner Art im deutschsprachigen Raum und wird bereits erfolgreich in Deutschland und der Schweiz eingesetzt.
In Österreich wurden im November 2024 insgesamt 903 Kolleginnen und Kollegen getestet. Die Auswertung ergab, dass 30 Personen die Kriterien eines Super-Recognizers erfüllten – 19 in Niederösterreich und 11 in Vorarlberg. Diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden künftig gezielt in kriminalpolizeilichen Aufgabenbereichen eingesetzt.

"Das Projekt Super-Recognizer zeigt, dass wir moderne Polizeiarbeit ganzheitlich denken: Technik, Wissenschaft und menschliche Fähigkeiten greifen ineinander. Diese Kombination stärkt unsere Ermittlungsqualität und trägt wesentlich zur Sicherheit in Österreich bei", sagt der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Dr. Franz Ruf, MA.

Einsatzfelder von Super-Recognizern
Super-Recognizer können bei einer Vielzahl von Ermittlungsaufgaben wertvolle Unterstützung leisten. Dazu zählen:
• das Erkennen von Tatverdächtigen auf Fahndungsfotos,
• die Analyse von Tatserien und Tatzusammenhängen,
• die Identifizierung von Gefährderinnen und Gefährdern oder gesuchten Personen in großen Menschenmengen, wie beispielsweise bei Sportveranstaltungen, Demonstrationen oder in Verkehrsmitteln,
• der Vergleich von Bildmaterial mit bestehenden Registern (GES, EDE, IDR) sowie mit öffentlich zugänglichen Quellen,
• und das Erkennen von Ziel- oder Kontaktpersonen bei Observationen oder Zugriffsvorbereitungen.
Diese Fähigkeiten sind besonders dort gefragt, wo technische Systeme an ihre Grenzen stoßen und menschliche Wahrnehmung einen entscheidenden Unterschied machen kann.

Erfolgreiche internationale Vorbilder
Erfahrungen aus dem Ausland zeigen, wie wirkungsvoll der Einsatz von Super-Recognizern sein kann. In St. Gallen führte ein einjähriger Pilotbetrieb zu über 300 Ermittlungsansätzen – in nur drei Prozent der Fälle wurden die Hinweise dabei als unbrauchbar oder fehlerhaft klassifiziert.
Auch in Berlin und München setzen Polizeibehörden bereits auf diese spezielle Kompetenz. Österreich reiht sich damit in eine wachsende Zahl europäischer Länder ein, die menschliche Fähigkeiten gezielt in die moderne Ermittlungsarbeit integrieren.

"Ich bewerte es als äußerst positiv, dass deutschsprachige Behörden bei der Auswahl von Super-Recognizern zunehmend auf transparente und wissenschaftlich validierte Standards setzen. Ein wachsender Konsens über Auswahlkriterien sowie die Offenheit im Vorgehen bilden meiner Ansicht nach das Fundament für nachvollziehbare und evidenzbasierte Prozesse innerhalb von Behörden – Prozesse, die wiederum das Vertrauen in unsere Institutionen stärken können. Darüber hinaus können Behörden, die nach denselben Standards vorgehen, sowohl aktiv zum wissenschaftlichen Fortschritt beitragen als auch unmittelbar davon profitieren. So haben wir beispielsweise in mehreren Behörden die Hirnsignale von Super-Recognizern gemessen, um die zugrunde liegenden neuronalen Mechanismen ihrer Fähigkeit besser zu verstehen. Ich freue mich auf eine fortgesetzte und vertiefte Zusammenarbeit – bei der Forschung zu Super-Recognizern und darüber hinaus", so Prof. Dr. Meike Ramon, Bern University of Applied Sciences.


Vorteile und Ausblick
Der Einsatz von Super-Recognizern bringt mehrere Vorteile:
Er ist datenschutzrechtlich unbedenklich, da keine technischen Systeme genutzt werden. Gleichzeitig werden bereits vorhandene Fähigkeiten innerhalb der Polizei effizient eingesetzt. Die Umsetzung erfolgt ohne zusätzliche Kosten und profitiert von internationalen Erfahrungen.

Das Projekt wurde im September 2024 gestartet. Nach Testung und Auswertung erfolgt im März 2025 eine Auftaktveranstaltung mit den identifizierten Super-Recognizern. Der Probebetrieb in den Landeskriminalämtern Niederösterreich und Vorarlberg startete am 1. Oktober 2025 und läuft bis 28. Februar 2026. Die Evaluierung und Entscheidung über weitere Schritte sind für das zweite Quartal 2026 vorgesehen.

"Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind unser größtes Kapital. Mit dem Projekt Super-Recognizer nutzen wir besondere Fähigkeiten für kriminalpolizeiliche Ermittlungen und zeigen, dass Innovation nicht nur im digitalen Raum stattfindet", so der Direktor des Bundeskriminalamtes General Mag. Andreas Holzer, MA.

Artikel Nr: 29544 vom Donnerstag, 9. Oktober 2025, 09:00 Uhr
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